Jugendliche wollen von der Politik ernstgenommen werden
Annika Frieler ist Mitglied im Vorstand des Jugendrats der Stadt Münster. Durch ihr Engagement hat die 16-jährige Schülerin eine entscheidende Erfahrung gemacht: Es fühlt sich gut an, wenn einem zugehört wird.

Die Sonne strahlt von einem wolkenlosen Himmel als Annika Frieler an diesem Dienstag um kurz vor 12 Uhr am vereinbarten Treffpunkt, dem berühmten Friedenssaal im historischen Rathaus der Stadt Münster, ankommt. Eine gute halbe Stunde hat die 16-Jährige mit dem Bus von ihrem Zuhause in Albachten, einem Stadtteil ganz im Westen von Münster, bis in die Innenstadt gebraucht.
Annika Frieler ist aber nicht nur heute auf den öffentlichen Nahverkehr angewiesen. Die 16-Jährige besucht die Marienschule, ein katholisches Mädchengymnasium, das sich ebenfalls in der Innenstadt befindet. Natürlich verbringt sie hier in der City auch einen großen Teil ihrer Freizeit. Es ist also kein Wunder, dass sich die Schülerin genau wie viele andere Jugendliche in Münster einen Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs wünscht. „Wir fordern, dass die Busse häufiger und vor allem auch abends länger fahren“, erklärt die Gymnasiastin. Mit „wir“ meint Annika Frieler den Jugendrat der Stadt. Vor gut einem Jahr wurde sie in das Gremium gewählt. Inzwischen ist sie Mitglied des Vorstands.
„Wenn wir wollen, dass sich mehr Menschen für Politik interessieren, muss die Politik diese Menschen schon als Jugendliche ernstnehmen.“
Im Hinblick auf die anstehenden Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen am 14. September hat der Jugendrat der Stadt Münster ein eigenes Forderungspapier erstellt. Der bereits erwähnte Ausbau des öffentlichen Nahverkehr, der nicht nur den Jugendlichen, sondern auch dem Klima nützen würde, wird hier angesprochen, genau wie die Forderung nach kostenloser Nachhilfe, um die Chancengerechtigkeit an den Schulen zu erhöhen. Außerdem fordern die Jugendlichen, die bei ihrer Wahl nicht jünger als zwölf und nicht älter als 17 Jahre sein dürfen, ein neues Jugendzentrum, da das alte, das Paul-Gerhardt-Haus, kürzlich abgerissen wurde.
Neben diesen und vielen weiteren inhaltlichen Punkten wünschen sich die 30 gewählten Mitglieder des Jugendrats aber auch mehr Mitbestimmungsrechte in der Kommunalpolitik. Sie dürfen zwar schon jetzt an den kommunalpolitischen Ausschüssen und den Sitzungen der Bezirksvertretungen teilnehmen und sich dort auch zu Wort melden. „Wir fordern aber ein Stimmrecht“, betont Annika Frieler.
In Einzelgesprächen mit den bei der Kommunalwahl antretenden Parteien haben die Jugendlichen ihre Forderungen deutlich gemacht. Jetzt gilt es abzuwarten, was die Politikerinnen und Politiker daraus machen. „Wir sind gerade dabei, die Wahlprogramme auszuwerten und zu schauen, welche Parteien unsere Anliegen aufgegriffen haben“, erklärt die 16-Jährige.
Dabei ist der Schülerin völlig klar, dass die Ideen und Wünsche der Jugendlichen nicht einfach eins zu eins von der Kommunalpolitik umgesetzt werden können. Gerade durch ihre Arbeit im Jugendrat hat die Schülerin im vergangenen Jahr selbst miterlebt, dass der Weg vom Einbringen eines Antrags bis zur Umsetzung desselbigen häufig sehr lange dauern kann und dass es eben oft Hindernisse gibt, von denen bei der Antragstellung noch keiner etwas geahnt hat. Aber darum geht es der Gymnasiastin und ihren Mitstreiterinnen und Mitstreitern auch nicht. Denn Annika Frieler hat durch ihre Arbeit im Jugendrat noch eine weitere, vermutlich viel wichtigere Erfahrung gemacht: „Ich hatte im vergangenen Jahr sehr oft das Gefühl, dass mir zugehört wird.“ Ob es nun die Gespräche mit den Parteien im Vorfeld der Kommunalwahlen waren, Interviews mit Medien oder ihre eigenen Wortmeldungen in den kommunalen Ausschüssen der Stadt – Annika Frieler hat sich in all diesen Situationen von den Erwachsenen ernstgenommen gefühlt. Dadurch habe ihr Interesse für die Politik noch deutlich zugenommen, betont die 16-Jährige und ergänzt: „Wenn wir wollen, dass sich mehr Menschen für Politik interessieren, muss die Politik diese Menschen schon als Jugendliche ernstnehmen.“


