Jugendliche entwickeln Thesen für lokal-o-mat
In zehn Städten in Nordrhein-Westfalen wird es im Vorfeld der Kommunalwahlen eine besondere Wahlhilfe für die Bürgerinnen und Bürger geben. Befüllt wurde sie von jungen Menschen, die sich in ihrer Kommune engagieren.
Das Prinzip ist klar: Wer schon einmal, beispielsweise bei der vergangenen Bundestagswahl, den Wahl-O-Mat genutzt hat, weiß, wie eine Wahlhilfe funktioniert. Die Nutzerinnen und Nutzer bekommen verschiedene Thesen wie „Deutschland soll die Ukraine weiterhin militärisch unterstützen“, „auf allen Autobahnen soll ein generelles Tempolimit gelten“ oder „für die Stromerzeugung soll Deutschland weiterhin Kernenergie nutzen“ angezeigt und müssen anklicken, ob sie diesen Aussagen zustimmen oder nicht. Anschließend gleicht das System die eigenen Überzeugungen mit den Forderungen der Parteien ab und ermittelt, wie hoch die Übereinstimmung ist. Nach diesem Prinzip funktioniert auch der von der Wahl-O-Mat-Forschung der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf entwickelte lokal-o-mat, der im Vorfeld der Kommunalwahlen am 14. September von den Bürgerinnen und Bürgern in zehn ausgewählten Kommunen genutzt werden kann. Die Landeszentrale für politische Bildung Nordrhein-Westfalen unterstützt das Projekt.
Doch woher kommen die Thesen, die bis zur Veröffentlichung des lokal-o-mat strenggeheim sind? Für die meisten Projektkommunen wurden sie von Jugendlichen im Alter zwischen 16 und 24 Jahren im Rahmen eines zweitägigen Online-Workshops entwickelt. Laut dem Leiter des Projektes, Prof. Dr. Stefan Marschall, hat sich sein Team bewusst für dieses Verfahren entschieden. „Auf diese Weise soll die Perspektive von jungen Menschen auf kommunale Themen in die Wahlhilfe mit eingebracht werden“, erklärt der Professor für Politikwissenschaft.
Die Jugendlichen kennen sich in ihren Kommunen aus
Aber es sind nicht irgendwelche Jugendlichen, die die Heinrich-Heine-Universität für diese Aufgabe angefragt hat. Sie kommen aus den Kommunen, für die der lokal-o-mat entwickelt wird. „Ihr seid die Expertinnen und Experten, wenn es um eure Stadt geht“, betonte Stefan Marschall zu Beginn des Workshops. Die Jugendlichen kennen sich in ihren Kommunen aus, nicht nur, weil sie dort leben, sondern auch, weil sie sich vor Ort engagieren, im Jugendparlament, in der Bezirksschülervertretung oder in anderen Gremien.
Im Vorfeld des Workshops hat das Team von Stefan Marschall die Forderungen kommunaler Spitzenverbände, die Anliegen der Parteien in den zehn beteiligten Kommunen sowie die Medienberichterstattung vor Ort ausgewertet. Diese Infos erhielten die Jugendlichen als Grundlage für die Thesenerstellung.
Der Workshop startete mit der Entwicklung von überregionalen Thesen zu Themen wie Stadtplanung, Verkehr oder Kultur, die alle Kommunen betreffen. Die Jugendlichen konnten selbst entscheiden, mit welchem Themenbereich sie sich in Kleingruppen beschäftigen wollten.
Die Parteien müssen sich zu den Thesen positionieren
Anschließend ging es dann an das Herzstück des lokal-o-mat. Die Jugendlichen entwickelten für ihre Kommune Thesen, die sich ganz konkret mit den Herausforderungen vor Ort befassen und das Tool zu einer einzigartigen Wahlhilfe machen. Hier war das lokale Know-how der Jugendlichen gefragt. Über welche Themen wird in der Stadt diskutiert? Mit welchen Herausforderungen kämpfen die Schulen? Welche Bauvorhaben ziehen sich gefühlt schon ewig hin? Bei diesen Fragen zeigte sich, dass das Team von Stefan Marschall auf die richtigen Expertinnen und Experten gesetzt hatte. Die Jugendlichen punkteten nicht nur mit lokalem Fachwissen, es gelang ihnen auch die Perspektive anderer, älterer Wählergruppen einzunehmen. Denn die Themen, mit denen sich der lokal-o-mat befasst, sollen später die Interessen aller Wahlberechtigten widerspiegeln.
Mit der Thesenfindung ist der Einsatz der Jugendlichen für den lokal-o-mat beendet. Jetzt sind die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wieder an der Reihe. Sie müssen die Thesen prüfen. Handelt es sich um ein Thema, das auf kommunaler Ebene entschieden werden kann? Ist die These provokant genug formuliert, sodass sie ein Meinungsbild wiedergibt? Diese und viele weitere Fragen müssen geklärt werden, bevor die finalen Thesen zur Beantwortung an die Parteien in den zehn Projektkommunen geschickt werden können.
Denn damit die Bürgerinnen und Bürger das Tool als Wahlhilfe verwenden können, müssen sich die Parteien zu den einzelnen Thesen positionieren. Nur so kann der lokal-o-mat die Überzeugungen der Nutzerinnen und Nutzer später mit den Forderungen der Parteien abgleichen. Dann ist es geschafft und der lokal-o-mat kann als einzigartige Wahlhilfe rechtzeitig vor den Kommunalwahlen am 14. September online gehen.